Eine Fotodokumentation von Tharau ist hier zu finden: Tharau in alten Fotos
-Freie Nacherzählung und Auszüge aus dem Werk vom Tharauer Kantor Paul Boldt-
Einleitung zum Verfasser und der Geschichte der Dorfchronik Tharau
Er trat damit die Nachfolge seines Vaters Rudolf Boldt * 14.Juli 1851 in Dollstätt Kr. Pr. Holland an, der von 1879 - 1921 als Organist und Hauptlehrer in Tharau wirkte.
Boldt jun. schrieb die Geschichte, zum ersten Mal, zwischen 1921 und 1944 auf. Zu dieser Zeit hatte er alle original Quellen zur Hand die da bspw. waren, Kirchenbücher von Tharau und somit die Kirchenchronik, Standesamtsunterlagen und Photographien der Margarethe von Tortilowicz von Bartocki etc..
Unterstützung erhielt er vom Pfarrer Anton Doskocil.
Ursprünglich liess Boldt jun. die Chronik illustrieren und fügte ein Bilderalbum und eine Dokumentenmappe als Ergänzung bei.
Insgesamt entstanden so drei Bände der Dorfchronik. Diese konnten vor dem Einmarsch der russsischen Truppen 1945 gerettet werden.
Nach der Flucht aus der Heimat ergänzte Paul Boldt diese bis 1949 durch die Schilderung der letzten Ereignisse vor Kriegsende und dem Schicksal der Bewohner die in Tharau verblieben waren.
Im Anschluss gelangte die Chronik in den Besitz der sowjetischen Besatzungsmacht.
Boldt hatte die Hauptereignisse zuvor kopieren können.
Er rekonstruierte das Werk aus dem Gedächtnis:
-Rekonstruktion-
Boldt schreibt ( ca. 1949, nach Verlust des Originals ) zur Entwicklung des Dorfes und Gutes Tharau: "Aus diesem ersten Abschnitt des Originals der Dorfchronik vermag ich folgende Zahlen und Tatsachen einwandfrei wiederzugeben."
[Freie Auszüge]
Erste urkundliche Erwähnung Tharaus in einem Kaufvertrag. "Die Siedlung am rechten Ufer des Frischings, das jetzige Bauerndorf, rührt von den Pruzzen her."
Das Gut (Feld) ist eine Gründung der Ordensritter.
Die Namen der Pruzzendörfer enden aw (au), wangen, ehnen, itten, keim, lack (Jesau, Schrombehnen, Wöterkeim, Lewitten, Uderwangen, Abschwangen, Packerau).
Die Pruzzen hatten hier nur wenige Wohnstätten gegründet ( Rumlack, Gollau,
Bergau ).
1484 bis 1715 Schlieben. Vergrösserung des Besitzes durch Beiohr ( Bajohren ), gegründet durch Peter Bajohr und Rumlack.
Die von Schlieben waren u.a auch Eigner von Jesau, Wittenberg und Arweiden.
"Von dem gestrengen und ehrenhaften Wilhelm v. Schlieben" befindet sich in der Nordwand der Kirche eine grosse, kunstvolle Grabplatte.
1670 gingen die Tharauschen Güter, Jesau und Wittenberg an Georg v. Schlieben.
Dessen Wappen wurde infolge Sturm mehrmals aus dem Kirchenfenster gerissen.
Diese Seite war dem Wind jedoch nicht mal besonders ausgesetzt.
Ein Omen? Georg verlor alle Güter durch Konkurs.
1717 - 1739 gehörte Tharau Etatsminister Wilhelm v. Canitz. 1718 gründete er Augustenhof, benannt nach seiner Frau Auguste Reventlau
1739 - 1759 Wilhelm v. Groeben übernimmt Tharau als Schwiegersohn des v. Canitz.
1760 - 1798 geht Tharau an dessen Neffen Abraham Fabian v. Braxein.
Er gründet Braxeinswalde, Luisenhof, Grünhof, Hasseldamm, Charlottenhof, Groebensbruch. Romlau, Bajohren, Augustenhof weiter in Besitz.
Wernsdorf war bereits angekauft.
Neubau von Gutshaus, Brauhaus, Brennerei, Mühlenhaus, Krug, Gutsschmiede, Pfarrhaus.
Erbuntertänigkeit der Bauern aufgehoben. Braxein ist hierin ein Vorreiter der Gutsherren in Ostpreussen !
Meine Matz - Thiel Familie wird in Schrombehnen, Mahnsfeld, Tharau in den Tharauer und Mahnsfelder Ksp. erwähnt.
1798 - 1825 übernimmt die Tochter des Abraham Braxein, Albertine Braxein die Güter. 1801 heiratet sie den Generalleutnant v.Schöning.
1808 entstand Klein Bajohren ( ging 1907 ein ).
18222 entstand aus der Landmasse, welches durch die Erbregulierung von den Tharauer Bauern abgetreten worden war Ernsthof. Benannt nach Ernst v. Schöning.
Meine Matz - Thiel Familie im KB Tharau bleibt weiterhin als in Tharau und umzu ansässig erwähnt. Diese Familien findet man zu dieser Zeit auch weiterhin im Ksp. Mahnsfeld.
1829 - 1842 Kanonikus Carl Wilhelm v. Gramatzki übernimmt als einer von neun Erben der Albetine v. Braxein das Gut und zahlt alle anderen aus.
Die Matz Familien zeigen, trotz hoher Sterblichkeitsrate, weiterhin ihre starken Gene im Kirchenbuch verzeichnet. Packerau als ihr unmittelbares Lebensumfeld kommt neben u.a.Tharau Dorf und Gut hinzu. Auch "im Mahnsfeldschen" bleiben beide Linien erwähnt.
1842 - 1884 Carl August v. Gramatzki verkauft Wernsdorf, Charlottenhof und Hasseldamm
1846 Braxeinswalde erhielt die zweite Tochter Anna v. Borcke, das Restgut die älteste Tochter Paula v. Gramatzki, verhehelichte von Bartocki.
Gutsbrennerei und Brauhaus stellen den Betrieb ein.
Diese Jahre sind klar die Erlebnisgeneration meiner Ururgrosseltern Matz; schlicht Ahnen genannt. Die Sterblichkeitsrate bleibt hoch.Von mindst. 7 nachgewiesenen Matz Kindern überleben lt. Kirchenbuch. 2.
Einer davon ist *1869 mein Urgossvater Heinrich Albert Matz in Packerau. Er ist ein Sohn des Gotthard Matz und der Friederike,geb.Schollau.
Vater meiner Urmutter ist Gottfried Schollau, Schmied in Wisdehnen. Vater zu Gotthard Matz ist Heinrich, Knecht in Kämmersbruch.
Heinrich Albert bekommt in 1873 noch eine Schwester Anna. Auch sie darf am Leben bleiben; siehe Einwohner Tharau Anna Rhese, geb. Matz.
Mein Urgrossvater Heinrich Albert Matz wird bis mind. 1939 in der Einwohnerliste von Packerau geführt.
Heinrich Albert Matz wird um 1889 die Ehe mit Amalie, geb. ? eingegangen sein. Beide hatten sechs Kinder. Darunter meine Oma Anna.
1884 - 1900 Rudolf Tortilowicz von Bartocki
Wassermühle, Meierei, Ziegelei gingen ein.
1900 - 1935 Manfred Tortilowicz von Bartocki
Mühlenhaus abgebrochen, Inspektorenhaus gebaut. Elektifizierung des Gutes. Schmiedehaus erhält massives Dach. Insthäuser neu erbaut.
Schafzucht in Braxeinshof kommt zu voller Blüte.
1942 Ende für das Gasthasu "Zum goldenen Kürbis".
1928
Entstehung Groß Tharau
Gemeinde: Tharau Gut mit Augustenhof, Luisenhof, Braxeinshof, Groebensbruch, Gut Ernsthof mit Romlau und Siedlung Ernsthof, Bajohren mit Grünhof und Tharau Dorf.
Einwohner ca. 750.
Bürgermeister Otto Hübner, altes Tharauer Bauerngeschlecht, (* 23.10.1888 geheiratet Oktober 1937) - 1945.
1935 - 1945
Die letzte Gutsbesitzerin war Hedwig von Olfers, die Nichte des 1935 verstorbenen Manfred von Bartocki der unverheiratet geblieben war.
Sie vermählte sich 1943 mit dem Schriftsteller Dr. Erich von Lölhöffel (von Löwensprung).
Ernsthof wurde 1932 von Kurt Stenzel als Erbe des Vaters Artur Stenzel übernommen.
Hasseldam gehörte Leo Graw.
Groß Bajohren gehörte dem Gutsbesitzer Theodor Anker. Bajohren wurde im "3. Reich" in Baiersfelde umbenannt.
Romlaus letzter Gutsherr war Kurt Stolzenwald.
Die größten Grundstücke gehörten:
Hübner - 210 Morgen
Glaß - 135 Morgen
Tobies - 81 Morgen
G. Radtke - 60 Morgen
3 Ortsteile sind im Laufe der Jahrhunderte verschwunden:
Klein Bajohren
Porwerken
Klein Feldchen, das noch ca. bis 1735 in den Kirchenbüchern erscheint. ca. 1775 ist es als Groebensbruch neu erbaut worden.
Der Mannesstamm zweier Familien ist über Jahrhunderte, seit mind. 300 Jahren, bis 1945 nicht erloschen. Es sind (End) Tobies und (Berg) Radtke.
Wahrscheinlich haben die Vorfahren des Emil Tobies und des Gustav Radtke bereits zur Prussenzeit auf ihrer Scholle gewohnt.
Ansässige Arbeiter- und Handwerkerfamilien die ihrem Herrn länger als zwei Generationen dienten hat es in unserem Dorf nicht gegeben.
Manche Deputanten oder Instleute hielten es nie länger als ein Jahr auf ihrer Stelle aus.
Das ostpreussische Sprichwort "dreimal umgezogen - einmal abgebrannt" entsprach durchaus der Wahrheit.
Fortsetzung folgt...
....blättern wir in der Chronik einiges weiter vor, finden wir auf Seite 169 das Kapitel:
Wie es den Tharauern im Einzelnen ergangen ist
Dem Stil der bislang erlebten liebevollen aber durchaus sachlichen Beschreibung zu diesem Flecken Erde, den schlichten Besonderheiten seiner Umgebung, seiner -Ur- Einwohner, ihren Besonderheiten, Sitten und Gebräuchen bleibt Boldt treu.
Er berichtet von den Schicksalen der Menschen nach dem Super GAU ab Ende Januar 1945 in Tharau, dem Einmarsch der roten Armee und allem was danach kommt.
So oder ähnlich muss es wohl vielerorts abgelaufen sein bzw. heute noch ablaufen. Ein Bericht der noch mal mahnt und hinterfragt: Wozu sind Kriege gut?
Für mich ein sehr schmerzhafter Zeitzeugenbericht da er einen Teil meiner Familie krass betrifft.
Boldt hat aus eigenem Erleben aber auch den Aussagen anderer Flüchtlinge und Spätheimkehrer sachlich verewigt, was den Bewohnern im Einzelnen widerfahren ist.
Über die Gärtnerei, vgl. diesen Verweis in Ännchens Blog
Einwohner Tharau Gut (1), siehe Gärtnerhaus
berichtet er:
Gartenmeister Gustav Thiel > Hilfe erwünscht! Hinweise gesucht! Familiensuche Thiel war von Zinten aus noch im April und Anfang Juni 1945 in Tharau noch unterwegs, um seine Frau zu suchen.
Beim ersten Besuch schlief er in der Gemeindeschwesterwohnung, beim zweiten durfte er nicht mehr frei umher gehen. Weder in sein eigenes, noch in ein fremdes Haus hinein. Zunächst wohnte Thiel in Berlin und zog dann nach Höckerberg-Mittelbexbach (Saarland).
Sein Sohn Fritz ist bereits aus Gefangenschaft entlassen, Karl noch nicht. Von Erich noch keine Nachricht.
Ende 1949 ist Karl Thiel aus Sibirien (2000 Km hinter dem Ural!) heimgekehrt.
Am 14. Januar 1961 ist Frau Thiel (Anm.: geborene Neumann aus Vierzighuben-Pr. Eylau) in Ottweiler/Saar plötzlich verstorben.